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Wer das Publikationsgeschehen etwas genauer verfolgt, kann leicht eine immer mehr ansteigende Zunahme an sprachorientierten Themen bemerken. Sie begann in den verschiedenen Ländern unterschiedlich früh, bildet aber heute einen deutlich abzuheben den Sektor intellektueller Erkenntnis- und Aussageaktivität. Arbeiten von allgemein kulturbezogener Interessenrichtung stehen neben Arbeiten speziell sprachorientierter Sicht und es treten, bisweilen, sogar Arbeiten mit spezifisch sprachwissenschaftlicher Intention hinzu. Das ergibt ein zur Zeit vielfältig bestelltes Feld, in dem sich ein wach werdendes Interesse an einem offenbar wichtigen Gegenstand abbildet. Es ist einsichtig, daß es hierbei im ganzen hauptsächlich um Fragen der Be deutung geht: haben doch diese Fragen schon von frühester Zeit an den eigentlichen Ansatz- und Begründungspunkt flir sprachbezogene überlegungen gebildet, wie man in jeder Geschichte der Philosophie, an neueren philosophischen Entwicklungen und, nicht zuletzt, an Bemühungen um die Anwendung sprachlicher Erkenntnisse feststellen kann. Die überragende Rolle von Bedeutungsphänomenen, besonders von solchen im Rahmen des Funktionierens der Sprachen in gesellschaftlichen Zusammenhängen, ist schließlich in Wissenschaften wie der Psychologie, Soziologie, Politologie, Literaturwissenschaft oder der Kunstwissenschaften, ja sogar der Medizin deutlich geworden. Der weite Bereich auch außersprachlicher Kommunikation, die auf kommunikativem Verhalten nach bedeutungs tragenden Verhaltensschemata beruht, schließt sich an.
'Was wir über unsere Umwelt, über unsere Mitmenschen, ja sogar über uns selbst wissen, haben wir durch Wahrnehmung erfahren. Was ist das nun für ein Prozeß, den wir »Wahrnehmung« nennen? Unsere erlebte Welt wird durch diesen Prozeß definiert." Wir beginnen mit diesem Zitat aus einem psychologischen Wahrnehmungs lehrbuch (MURCH & WOODWORTH 1977, S.11), um damit die Bedeutung zu betonen, die Wahrnehmung aus psychologischer, aber auch aus alltäglicher Perspektive hat. Wahrnehmung definiert unsere erlebte Welt, sie ist die Grundlage unseres Wis sens und Handelns, und es überrascht daher nicht, daß sich Philosophen seit eh und je mit der Frage beschäftigen, worin sich unsere Wahrnehmungen gründen. Sind sie Abbildungen einer externen Welt, oder sind sie geistige Konstruktionen? Der Radikale Konstruktivismus ist eine Kognitionstheorie, die Erkenntnis als kon struiert betrachtet und damit die zweite Anschauung vertritt. Auch psychologi sche Wahrnehmungstheorien (BRUNER 1957, NEISSER 1976) tendieren in diese Richtung, indem sie die Beteiligung interner Faktoren am Wahrnehmungsprozeß postulieren. In letzter Konsequenz können sie die Annahme einer konstruierten Wahrnehmung jedoch nicht akzeptieren. 'Wenn Wahrgenommenes konstruiert ist, wieso ist es normalerweise genau?" fragt sich NEISSER (1979, S.24) und spricht damit die Frage nach der Ursache für die Stabilität der Wahrnehmung an. Wenn diese nicht in der Richtigkeit einer Abbildung gründet, worin dann? Radikale KonstruktivistInnen widmen sich genau dieser Frage und versuchen zu zeigen, nach welchen Prinzipien eine stabil erlebte Welt konstruiert werden kann. Das ist der Anlaß für uns, an psychologische Wahrnehmungstheorien anknüpfend den Radikalen Konstruktivismus in die Wahrnehmungspsychologie hineinzutragen.
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