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Die Texte in diesem Band von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, von Aktivisten und betroffenen Menschen und Journalisten widmen sich verschiedenen Aspekten der Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs insbesondere unterschiedlichen Tatkontexten wie der Familie, dem Sport, Schulen oder den Kirchen. Sexueller Kindesmissbrauch geschieht in allen Bereichen unserer Gesellschaft, in denen Kinder aufwachsen. Dennoch ist das Thema weitgehend tabuisiert. Die Aufarbeitung sexueller Gewalt trägt dazu bei, die Gesellschaft zu sensibilisieren, vergangenes Unrecht sichtbar und die Stimmen betroffener Menschen hörbar zu machen. Der Blick in die Vergangenheit ist notwendig, um erkennen, warum die Gewalt geschehen konnte, warum Kindern nicht geholfen, weggeschaut, vertuscht und geschwiegen wurde, aber vor allem, damit wir wissen, wie wir Kinder und Jugendliche in Zukunft besser schützen können.
Seit April 2019 forscht der Verbund Testimony, gefördert vom Bundesministeriumfür Bildung und Forschung (BMBF), zu sexualisierter Gewalt und traumatischen Erfahrungenin DDR-Heimen aus Sicht der Betroffenen und medizinischen Akteure.Die Kooperation besteht aus der Universität Leipzig, der Alice-Salomon-HochschuleBerlin, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Medical School Berlin.Das übergreifende Forschungsvorhaben widmet sich eben jener Betroffenengruppe,die bisher noch unzureichend Aufmerksamkeit erfahren hat: ehemaligen Heimkindernaus der DDR, die in den Institutionen sexualisierte Gewalterfahrungen gemachthaben. Zielsetzung des Gesamtprojekts ist eine Aufarbeitung des Geschehenen ausverschiedenen Perspektiven.Das Teilvorhaben der Alice-Salomon-Hochschule Berlin untersucht in diesem Kontextmithilfe von tiefenhermeneutischen biografischen Fallstudien eingehender dieindividuellen Bewältigungswege einzelner Betroffener im Kontext der gesamtgesellschaftlichenAufarbeitung. Im Zentrum des Vorhabens steht, den Betroffenen selbsteine Stimme zu verleihen und in ausführlichen Fallstudien aufzuzeigen, wie sie alsHeimkinder der DDR mit frühen und schweren (sexualisierten) Gewalterfahrungenihren Lebensverlauf bewältigt haben und welche Unterstützungsmöglichkeiten sie alshilfreich empfunden haben. Die Fallstudien werden ¿ partizipativ orientiert ¿ auchals Instrument zur Aufarbeitung eingesetzt und betrachtet. Aus den Fallstudienwerden Schlussfolgerungen gezogen, wie es Betroffenen gelingen kann, trotz allemLebensqualität zu erreichen und zu bewahren und inwiefern soziale, professionelle,gesellschaftliche und politische Unterstützung dabei hilfreich sein kann.
Ausgangspunkt der Arbeit ist eine neue, mediale Thematisierung sexueller Gewalt durch pädagogische Fachkräfte seit 2010. Dieser wird zu Beginn der Arbeit als Gegenstand seine ambivalenten Folgen dargestellt. Zum einen entwickelte sich ein großes Potential für Prävention, Intervention und längst überfällige Aufarbeitung. Zum anderen kommt es zu einem gesellschaftlichen Generalverdacht gegen pädagogische Fachkräfte. Vor diesem Hintergrund stellt die Arbeit die Frage: Vor welchen Herausforderungen stehen pädagogische Fachkräfte der Heimerziehung angesichts des neuen, öffentlichen Diskurses über sexuelle Gewalt gegen Schutzbefohlene? Anhand von sechs Gruppendiskussionen mit Teams, aus der Heimerziehung, wird mittels der Dokumentarischen Methode rekonstruiert, dass die Fachkräfte sich im Zuge des öffentlichen Diskurses unter Generalverdacht gestellt fühlen. Empirisch kann gezeigt werden, dass das Thema sexuelle Gewalt durch diesen und fünf weitere Anlässe für die Fachkräfte relevant wird (Ausbildung, biografische Betroffenheit, institutionelle Bedingungen, Tatverdacht/Gewalttaten und kindliche Bedürfnisse nach Versorgung und Nähe). Der subjektiv wahrgenommene Generalverdacht geht für die Fachkräfte einher mit der Angst vor Repressalien gegen die eigene Person oder Kolleg*innen. Kindliche Bedürfnisse nach Nähe werden für die Fachkräfte vor dem Hintergrund zum Risiko. Gehen sie den Bedürfnissen fachlich angemessen nach, glauben sie Gefahr zu laufen, sexueller Gewalt bezichtigt zu werden. Sie stehen vor einem professionellen Dilemma und müssen den Schutz der eigenen Person gegen die Nähebedürfnisse der Kinder und Jugendlichen abwägen. Die Folge ist distanziert(ere)s und technokratisches Handeln, welches je nach konzeptioneller Perspektive unprofessionell und im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen verletzend sein kann. Um der Herausforderung zu begegnen, haben die Fachkräfte Bewältigungsstrategien entwickelt. Diese sind davon abhängig, (1) ob die Fachkräfte sich vorstellen können, dass eine*r ihrer Kolleg*innen sexuelle Gewalt verübt, (2) inwieweit sich Fachkräfte für ein Nähebedürfnis der Kinder und Jugendlichen verantwortlich fühlen (familienanalog vs. nicht familienanalog) und (3) wie sich der Umgang der Organisation mit der medialen Thematisierung darstellt. Als ein weiterer Ergebnisstrang kann in der Arbeit gezeigt werden, dass sexuelle Gewalt durch eigene Kolleg*innen nicht, bzw. nur sehr schwer vorstellbar ist. Diese ¿Undenkbarkeit¿ ist in die Sprache der Beforschten eingeschrieben. Die Arbeit zeigt, wie dieser fehlende Wahrnehmungshorizont das Handeln der Fachkräfte beeinflusst.Dies ist ein Open-Access-Buch.
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